In der Vorlesung „Sprachmedien und Mediensprache im Gegenwartsdeutschen“ (WS 2011/2012) wird auch die (sprachliche) Inszenierung in Massenmedien thematisiert.
Ausgewählt hatte ich dafür ein legendäres Gespräch zwischen Steve Jobs und Bill Gates bei All Things Digital* (2007). Der Fokus sollte genau bei diesem Beispiel nicht auf dem Gegenwartsdeutschen, sondern vielmehr auf der sprachlichen Inszenierung von populären Akteuren in den Massenmedien liegen: Abgesehen davon, dass hier zwei der Pioniere des elektronischen Zeitalters in Goldgräberkleidung sitzen und Komplimente austauschen (obwohl sie nicht nur als Unternehmer Konkurrenten sind), wird nämlich deutlich, dass es Gates scheinbar gelingt, sich immer noch als „Garagenbastler“ zu inszenieren, während Jobs hinter den „Geschäftsmann“, der er wohl immer war, im Gespräch nicht zurückkommt. Und obwohl er mit Gates anscheinend auf Augenhöhe sprechen mag, stellt sich beim Hörer ein anderer Eindruck ein: Hier ist nach der Qualität sprachlicher Inszenierung und insbesondere danach zu fragen, welche Grade von „Authentizität“ angenommen werden müssen, um dieses Gespräch angemessen analysieren zu können.
Darüber hinaus wurde das Video selbst zur Grundlage von (so genannten) Memes und Comics [1], die seit 2007 in regelmäßigen Abständen und in unterschiedlichen Kontexten in den Welten des Web 2.0 kommuniziert werden und meist nicht die „Garagenbastler“ und „bodenständigen Visionäre“ ins Visier nehmen, sondern die „Geschäftsmänner“ Jobs und Gates, die für die Maximierung von Gewinn nicht immer nur das Gute in die Welt tragen [2; oder in ironischer Überspitzung vgl. auch bspw. 3].
Heute stellen sich noch andere Fragen. Steve Jobs ist tot. Einer der Mentoren unserer elektronischen Sozialisation, die wir hier noch miteinander lachen hören, ist nicht mehr.
Und so gewinnt das Gespräch zwischen „Steve“ und „Bill“ eine ganz neue Qualität — es wird zum Nachruf, zur Würdigung eines erfolgreichen Unternehmers durch einen anderen, was aber nicht unkritisch zu sehen ist. Das verlinkte Video, das in der Vorlesung eigentlich nur als Quelle für die aufgezeichnete Sendung dienen sollte, wird nun möglicherweise neben der kritischen Distanzierung [4] zu einem der Ausgangspunkte für die Kommunikation dieses Ereignisses im Web 2.0 werden:* Auf Youtube hinterlassen User in den Kommentaren erste Kondolenzen, das Video und auch die auf dieser Basis entstandenen Memes und Comics werden „geteilt“ (wie hier) und so mancherorts medial „umgewidmet“ im Rahmen einer digitalen Erinnerungskultur, zu der mit Sicherheit auch die Rede von Jobs an der Universität Stanford 2005 gehören wird [5].
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Update (20.03.2012): Auch im Zusammenhang mit der kürzlich bekannt gewordenen Höhe des frei verfügbaren Kapitals von Apple (100 Mrd. US-Dollar) setzt eine Neuinterpretation der Bildsequenz ein — siehe etwa http://9gag.com/gag/3384367.
6. Oktober 2011
Lehre, Sprachpunkt, Weiterführendes